Öffentlich mag es um die Gelenkwelle Mosel etwas ruhiger geworden sein – doch hinter den Kulissen ging es in den vergangenen Wochen hoch her. Am Ende der Verhandlungen mit der Geschäftsführung von GKN Driveline stehen nun ein Sozialplan und ein Interessenausgleich – und es steht fest: Es ging bei dieser Werksschließung nie um schlechte Arbeit oder rote Zahlen, ganz im Gegenteil! Das Aus nach mehr als 40 Jahren ist eine rein politische Entscheidung mit Blick auf den Börsengang des Unternehmens.

Mit 96,16 Prozent hatte sich eine große Mehrheit der Beschäftigten von GKN Driveline am Standort Mosel für die Annahme eines Sozialtarifvertrags ausgesprochen. Das war Anfang März 2023. Zwei Monate später steht fest: Das Unternehmen hält an seinen Schließungsplänen fest. Die ersten Kündigungen kommen noch in diesem Jahr. 

„Der Betriebsrat hat die Geschäftsführung wiederholt auf Alternativen zur Werksschließung hingewiesen, stößt jedoch auf taube Ohren. Aus unserer Sicht kann der Arbeitgeber bis heute nicht belegen, dass die Entscheidung, den Standort Mosel dicht zu machen, betriebswirtschaftlich begründbar ist – im Gegenteil. Das ist eine rein politische Entscheidung mit Blick auf den Börsengang von GKN“, kommentiert Benjamin Zabel, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Zwickau und Mitglied des Aufsichtsrats von GKN Driveline Deutschland, den Stand der Gespräche mit der Unternehmensleitung.

„Die wirtschaftlichen Konsequenzen, die sich aus dieser Entscheidung für GKN ergibt, sind noch gar nicht absehbar“, so Benjamin Zabel weiter. In den vergangenen Wochen gab es demnach zahlreiche intensive Gespräche zu den genauen Verlagerungs- und Schließungsplänen des Unternehmens. „Betriebsrat und Arbeitgeber haben sich jetzt auf einen Interessenausgleich und Sozialplan geeinigt und diesen der Belegschaft bei einer Betriebsversammlung vorgestellt.“

Die Verlagerung der Montageanlagen – und damit der Abbau von Arbeitsplätzen und erste Kündigungen – beginnt noch in diesem Jahr. Bis Mitte 2026 will GKN den Standort Mosel über mehrere Abbauwellen komplett schließen.

DOPPELT SO HOHE ABFINDUNGEN FÜR IG METALL MITGLIEDER

Die Regelungen des Sozialplans liegen dabei deutlich unter denen des Sozialtarifvertrags, betont Benjamin Zabel. „Im Schnitt erhalten IG Metall Mitglieder mehr als doppelt so hohe Abfindungen wie Nichtmitglieder.“ Zur Erklärung: Eine Abfindung nach Sozialplan wird mit einem Faktor von 0,5 bis 1 mal Bruttomonatsentgelt mal Betriebszugehörigkeit in Jahren errechnet. Gedeckelt ist diese Abfindung, auf die alle unbefristet Beschäftigten einen Anspruch haben, bei 120 000 Euro. Im Gegensatz dazu erhalten IG Metall Mitglieder laut Sozialtarifvertrag bis zu 200 000 Euro (Deckelung), der Faktor liegt bei 1,5.

Der Arbeitgeber hat sich mit diesem Sozialplan an der Werksschließung in Kaiserlautern orientiert – und einen satten Ost-Abschlag vorgenommen. „Wer sich erinnert: Das war das erste ‚Angebot‘ von GKN als wir ab Ende Januar in die Auseinandersetzung um einen Sozialtarifvertrag gegangen sind“, ergänzt der Gewerkschafter.

Anders als beim Sozialplan haben mit dem Sozialtarifvertrag auch befristet Beschäftigte, Kolleginnen und Kollegen in Altersteilzeit sowie Auszubildende, die sonst leer ausgegangen wären, im Falle einer Kündigung Anspruch auf Unterstützung – sofern sie Gewerkschaftsmitglied sind.

Neben den Regelungen zum Sozialplan und Interessenausgleich ging es in den Gesprächen mit der Geschäftsleitung auch um die Aufteilung des erkämpften Solidarfonds. Insgesamt muss das Unternehmen 2,5 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Die Auszahlung dieser Mittel beginnt noch in diesem Monat. Darüber hinaus finanziert das Unternehmen auch eine Transfergesellschaft, in der Beschäftigte bis zu zwölf Monaten unterkommen können.

 „Wir sind mit sehr hohen Forderungen in diese Auseinandersetzung um eine soziale Absicherung der Beschäftigten gegangen. Das ist mehr als gut gelungen, sollte es ganz am Ende nicht gelingen, den Standort Mosel zu retten. Das ist nach wie vor unser oberstes Ziel: Wir wollen eine Zukunft für dieses Werk!“, betont Thomas Knabel, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Zwickau. Im Hintergrund laufen demnach weiterhin Gespräche mit möglichen Investoren. Zum Fortgang des Investorenprozesses informieren wir ebenfalls zeitnah.

ZUM HINTERGRUND

Am 18. Januar hatte die Geschäftsführung von GKN Driveline das Aus für den Standort Zwickau-Mosel bekanntgegeben. Betroffen sind 835 Beschäftigte und deren Familien, ebenso weitere Zulieferunternehmen, die für das GKN-Werk Teile fertigen. Die Werksschließung bedeutet nach mehr als 42 Jahren das Aus – das Gelenkwellenwerk gehörte ab 1981 zum VEB Sachsenring, wurde nach der Wende vom Automobilzulieferer GKN Driveline übernommen.

Der Autozulieferer GKN produziert in Deutschland an den vier Standorten Offenbach (rund 1500 Beschäftigte), Zwickau-Mosel, Kiel (250 Beschäftigte) und betreibt in Trier eine Schmiede (400 Beschäftigte). Das Werk in Kaiserslautern wurde 2018 geschlossen. Bereits seit 2021 kämpft die Belegschaft des GKN-Standorts in Campi Bisenzio um ihr Werk.  Für die Werke Offenbach, Trier und Kiel wurde Anfang März ein Zukunftstarifvertrag ausgehandelt. Darin gibt GKN eine Standortgarantie bis Ende 2028 für die drei Produktionsstätten. 

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