Als das Unternehmen GKN Driveline am 18. Januar dieses Jahres bekannt gab, dass der Standort Mosel geschlossen werden soll, hatte wohl weder die Geschäftsleitung noch die Belegschaft eine Vorstellung davon, was dann ins Rollen kommen sollte: Es waren Wochen im Eiltempo mit nahezu täglich neuen Wissensständen und Entscheidungen. Vor allem aber hat diese Zeit gezeigt: Diese Belegschaft, diese Region kann Widerstand und ist nicht (mehr) bereit, profitgetriebene Entscheidungen stillschweigend hinzunehmen. Auch wenn es nicht mehr ganz so turbulent zugeht, hinter den Werkstoren ist viel in Bewegung. In einer Interviewreihe hören wir uns beim Betriebsrat zum aktuellen Stand bei GKN um.
IG Metall Zwickau: Lieber Jörg, lieber Dirk. Seit dem 18. Januar ist viel passiert. Wie geht’s euch im Moment?
Betriebsratsvorsitzender Jörg Kirsten: Die zurückliegenden Monate haben uns alle geprägt. Der 18. Januar hat sich eingebrannt. Trotz aller Erfolge, die wir erkämpft haben, ist mir persönlich dieser Tag noch sehr im Bewusstsein. Ich weiß noch genau, wie vielen Kolleginnen und Kollegen die Tränen in den Augen standen… das vergisst man nicht mehr. Wir sind in dieser Zeit aber auch als Betriebsrat und Vertrauensleute mit unseren Aufgaben enorm gewachsen, haben ein neues Selbstbewusstsein gewonnen, weil wir das Momentum auf unserer Seite hatten.
Betriebsrat Dirk Scheller: Seitdem ist wirklich unheimlich viel passiert. Manchmal fühlt es sich ein bisschen so an, als ob man uns ein Jahr geklaut hätte.
IGM: Gemeinsam mit euch beiden wollen wir in den kommenden Wochen schauen, was nach dem historischen Sozialtarifvertrag, den ihr erkämpft habt, hinter den Werkstoren von GKN los ist. Lasst uns mit eurem Investoren- und Ideenprozess anfangen. Was genau macht ihr da?
Jörg: Unser oberstes Ziel war von Anfang an der Erhalt von möglichst vielen Arbeitsplätzen hier am Standort Zwickau-Mosel. Gleich im Januar haben wir mit dem Unternehmen eine Tarifvereinbarung über Innovations- und Investorenprozesse abgeschlossen, um die Zukunft des Standorts nach GKN Driveline abzusichern. Seit Sommer sind wir aktiv in diesem Prozess.
IGM: Was heißt das genau?
Dirk: Dass wir gemeinsam mit der Belegschaft nach Ideen suchen, was wir hier im Werk außer Gelenkwellen produzieren könnten. In Zusammenarbeit mit einem Expertenteam von Beratern aus St. Gallen haben wir einen Innovationsprozess angeschoben. Ein Schritt ist, diejenigen zu fragen, die hier arbeiten: Die Kolleginnen und Kollegen wissen selbst am besten, was sie können und wie wir gemeinsam dazu beitragen, dass die Gelenkwelle mit einem neuen Investor und unter neuem Namen eine Zukunft hat.
Jörg: Über den Sommer konnte man ein Ideenformular ausfüllen. Der Rücklauf hat uns einmal mehr gezeigt, wie klasse diese Belegschaft ist. Klar, da waren auch ein paar verrückte Ideen dabei, aber eben auch 50 bis 60 wirklich konstruktive Vorschläge. Diese werden aktuell in zwei Teams diskutiert, damit wir in einem Auswahlprozess Schritt für Schritt vorankommen. In diesen zwei Teams sitzen Kolleginnen und Kollegen vom Maschinenbediener bis zur Ingenieurin, von jung bis alt, eben ein Querschnitt unserer Beschäftigten. Dafür haben wir im Vorfeld Interessierte gesucht und auch sehr schnell gefunden.
IGM: Kristallisieren sich dabei schon bestimmte Schwerpunkte heraus?
Jörg: In enger Abstimmung mit dem Beraterteam stehen derzeit sechs – grobe – Themenbereiche im Raum: Automotive Zulieferbereich, Halbleiter, Rüstungsindustrie, Offroad wie beispielsweise Landmaschinen, Wärmepumpen und Wasserstoff. In weiteren Workshops werden wir das gemeinsam Schritt für Schritt konkretisieren, bis wir dann voraussichtlich Anfang 2024 mit konkreten Ideen an mögliche Investoren herantreten können.
IGM: Danke euch für diese ersten Einblicke. Beim nächsten Mal erfahren wir dann mehr über eure Transfergesellschaft, die im Herbst angelaufen ist. Bis dahin!